Therapie

Welche Möglichkeiten der Therapie gibt es bei FAP ?

Die Behandlung der klassischen FAP besteht meistens in einer prophylaktischen operativen Entfernung des Dickdarms und des Mastdarms.
Die Funktion des Dickdarms besteht vor allem in dem Entzug von Wasser aus dem Nahrungsbrei. Da der Dünndarm in der Lage ist, diese Funktion (zumindest teilweise) zu übernehmen, ist die Entfernung des Dickdarms in der Regel ohne nennenswerte Einschränkung der Lebensqualität möglich. Insgesamt kann durch die Fortschritte der operativen Methoden eine gute Lebensqualität ohne dauerhaften künstlichen Darmausgang erreicht werden.

Der Zeitpunkt der Operation sollte individuell und abhängig vom Polypenwachstum im Magen Darm-Trakt entschieden werden.

 

Es gibt im Wesentlichen drei Operationsmethoden:

1. Entfernung des Dickdarms mit Dünndarmbeutelbildung unter Erhaltung des Schließmuskels (Ileo-anale Pouch-Operation)

Diese Operationsstrategie wird heute empfohlen, insbesondere dann, wenn im Enddarm Polypen vorliegen. Bei diesem Eingriff wird der gesamte Dickdarm entfernt, ohne den Schließmuskel zu verletzen (siehe Abb. 1). Mit dem letzten Anteil des Dünndarms wird ein Beutel gebildet, der an den Schließmuskel angenäht wird. Zum Schutz der Naht kann vorübergehend (für den Zeitraum von 1–3 Monaten) ein künstlicher Dünndarmausgang angelegt werden. Dies ist aber heute nicht mehr in allen Fällen zwingend erforderlich. Nach einer angemessenen Anpassungszeit wird die Dünndarmschleimhaut des Beutels die Aufgabe des Dickdarms zum Teil übernehmen und dem flüssigen Stuhl Wasser entziehen. Operierte Patienten haben durchschnittlich 3–6 Stuhlentleerungen in 24 Stunden.

 
ileoanale Pouchoperation

Abb. 1: Entfernung des Dickdarms mit Dünndarmbeutelbildung unter Erhaltung des Schließmuskels
(Ileoanale Pouchanlage)

Bei jüngeren Menschen sind die Ergebnisse dieser Operation besonders gut, da sich der Darm in jungen Jahren an die Veränderungen leichter anpasst. In der Regel kann der Operierte ein völlig normales Leben führen.

 

2. Entfernung des Dickdarms mit Dünndarm-Enddarm-Verbindung
(Ileo-rektale Anastomose)

Bei diesem Eingriff wird der Enddarm (die letzten 5–16 cm des Dickdarms) belassen und das Ende des Dünndarms an den Enddarm angenäht (siehe Abb. 2).
ileorektale Anastomose

Abb. 2: Entfernung des Dickdarms mit Dünndarm-Enddarm-Verbindung
(Ileorektale Anastomose)

Die Entscheidung für diese Operation ist nur dann in Betracht zu ziehen, wenn keine Polypen im Enddarm vorhanden sind; der Enddarm muss dann in kurzfristigen Abständen kontrolliert und Polypen gegebenenfalls abgetragen werden.

Der offensichtliche Nachteil dieser Behandlung ist, dass weiterhin die Gefahr unkontrollierten Polypenwachstums mit eventueller Krebsentwicklung im Mastdarm besteht; es sind lebenslang engmaschige Enddarmuntersuchungen notwendig.
Der Vorteil besteht in dem weniger ausgedehnten Eingriff. Eine erhöhte Stuhlfrequenz muss auch hier in Kauf genommen werden; die Häufigkeit ist mit der Situation nach ileoanaler Pouchoperation vergleichbar.

 

3. Vollständige Entfernung des Dickdarms und Enddarms mit künstlichem Dünndarm-Ausgang (totale Proktokolektomie mit Ileostoma)

Hierbei wird der gesamte Dickdarm und Enddarm samt Schließmuskel und After entfernt; das Ende des Dünndarms wird aus der Bauchdecke herausgeleitet, so dass sich der flüssige Stuhl aus dieser Öffnung (Stoma) entleert (siehe Abb. 3). Dieser Eingriff wird heute nur dann durchgeführt, wenn bereits ein bösartiger Tumor im unteren Enddarm vorliegt. In diesem Fall kann der Patient nur durch die radikale Entfernung der Krebsgeschwulst geheilt werden. Heute gibt es eine ausgezeichnete Stoma-Versorgung, so dass diese Öffnung zuverlässig dicht ist. Vor wenigen Jahren noch war diese Operation der einzig in Frage kommende heilende Eingriff für FAP-Patienten.

Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens ist das sogenannte kontinente Stoma, nach seinem Erfinder als „Kock-Pouch“ bezeichnet. Dies ist – ähnlich wie bei der erstgenannten Operationstechnik – eine Dünndarm-Beutelbildung, die unter der Bauchdecke liegt. Man hat also wie bei dem oben beschriebenen Ileostoma eine Öffnung an der Bauchdecke, diese entleert den Stuhl jedoch nicht von selbst. Der Dünndarmbeutel wird nach Bedarf mit einer Sonde (Darmrohr) entleert, eine Stoma-Versorgung ist meist nicht erforderlich. Dieses Operationsverfahren sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn wichtige Gründe gegen einen ileoanalen Pouch sprechen.
totale Proktokolektomie

Abb. 3: Vollständige Entfernung des Dickdarms und Enddarms mit künstlichem Dünndarm-Ausgang
(totale Proktokolektomie mit bleibendem Ileostoma)

Patient und Chirurg sollten gemeinsam überlegen und entscheiden, welches Operationsverfahren in der jeweiligen Situation am besten geeignet ist.

 

Dauer des Krankenhausaufenthalts und Verlauf nach der Operation

Die Dauer des Krankenhausaufenthalts nach der Dickdarmoperation hängt im wesentlichen von der Art der durchgeführten Operation ab. Meist kann man etwa 10–14 Tage nach dem Eingriff entlassen werden.

Am ersten Tag nach der Operation darf man in der Regel mit Unterstützung der Krankenschwester oder eines Krankenpflegers bereits kurz aufstehen und sich auf einen Stuhl setzen. Es ist normal, dass man jede körperliche Anstrengung als sehr mühsam empfinden wird. Um den Erholungsvorgang zu beschleunigen und um Komplikationen vorzubeugen, sollte man im Bett versuchen, die Beine zu bewegen, die Muskeln anzuspannen und möglichst tief durchzuatmen. Nach dem ausgedehnten Eingriff am Darm wird man zunächst etwa 3 Tage durch Infusionen künstlich ernährt, bevor man langsam wieder mit dem Kostaufbau beginnen kann. In den ersten Tagen hat man meistens noch keinen Appetit, und es kann zu Übelkeit kommen. Der Kostaufbau sollte langsam und vernünftig erfolgen. Es versteht sich von selbst, dass schwer verdauliche Nahrungsmittel noch nicht auf dem Speiseplan stehen. Auch frisches Obst, Obstsäfte und ballastreiche Ernährung werden in den ersten Wochen noch nicht vertragen. Nach der Entlassung kann man wieder anfangen, sich abwechslungsreicher zu ernähren. Es kann allerdings Wochen und Monate dauern, bis sich der Körper auf die veränderte Situation eingestellt hat. In der Anfangsphase darf man sich deshalb nicht entmutigen lassen. Um Unsicherheiten zu vermeiden, sollte vor der Entlassung ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt oder einer Diätassistentin erfolgen.

Nach der Entlassung wird man sich zu Hause noch 4–6 Wochen erholen. Die Aktivitäten werden eingeschränkt sein, aber langsam kehren die Kräfte zurück. Nach etwa 6 Wochen ist die erste Nachsorgeuntersuchung erforderlich. Das weitere Vorgehen hängt von der gewählten Operation ab. Bei der ileoanalen Pouchoperation wird der künstliche Ausgang, falls vorhanden, nach etwa

12 Wochen wieder verschlossen, so dass eine eventuelle Arbeitsfähigkeit vor diesem kleineren zweiten Eingriff durchaus im Einzelfall abzuwägen ist. Bei den anderen genannten Operationsverfahren ist etwa nach 8–10 Wochen mit der Wiederherstellung der körperlichen Leistungs- und Arbeitsfähigkeit zu rechnen.

 

Veränderung der Lebensqualität nach Dickdarmentfernung

Nach einem angemessenen Zeitraum können die meisten Patienten wieder eine normale Nahrung einnehmen und ein unbeeinträchtigtes soziales, berufliches und sexuelles Leben führen. Bei jüngeren Patienten kann sich der Körper besser und schneller an die veränderte Situation anpassen.

Nach ileoanaler Pouchoperation und ileorektaler Anastomose wird man eine häufigere Stuhlfrequenz haben, im Durchschnitt 3–6 mal täglich. Vielleicht wird man auch nachts zur Toilette gehen müssen.

Patienten, bei denen ein endständiger künstlicher Ausgang angelegt wurde, müssen die größte körperliche Umstellung in Kauf nehmen. Doch auch nach diesem Eingriff kann man ein normales und aktives Sozialleben ohne wesentliche Beeinträchtigung führen. Die Stomaversorgung wird bald zur gut beherrschbaren täglichen Routine werden. Auch ein Stoma beeinträchtigt das Sexualleben nicht, es erfordert jedoch Verständnis und Akzeptanz beider Partner.

Bei unkompliziertem Verlauf führt keine der genannten Operationsmethoden zu einer Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit beim Mann. Frauen sollten jedoch im ersten Jahr nach einer Operation noch nicht schwanger werden. Danach lassen sich alle genannten Operationsverfahren mit einer normalen Schwangerschaft und Geburt vereinbaren.

Letzte Überarbeitung: 27.03.2014